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Frieda Menco

Frieda Menco, geboren am 11. August 1925 in Amsterdam

Amsterdam, Zuideramstellaan 74/1 (jetzt Rooseveltlaan)

Frieda war ein Einzelkind. Ihr Vater Joël, war Schaufensterdekorateur, unter anderem beim renommierten Amsterdamer Kaufhaus Bijenkorf. Er war mit Rebecca Ritmeester verheiratet. Die Familie war eine typische jüdische Mittelstands-familie. Religion spielte in Friedas Leben keine Rolle. Die Familie lebte völlig assimiliert. Als der Krieg ausbrach, wollte Friedas Vater mit der ganzen Familie über Ijmuiden nach England fliehen.

Während das Taxi bereits mit laufendem Motor auf uns wartete, kam plötzlich die Mutter meines Vater zu Besuch. Sie wohnte ganz in der Nähe und kam öfter überraschend vorbei. Sie fragte, was los war. Mein Vater antwortete, dass wir versuchen wollten, nach England zu fliehen. Daraufhin sagte meine Oma: ‘Und was ist mit uns?’ Da schickte mein Vater das Taxi weg. Es war ein furchtbar schwieriger und emotionaler Moment.

Nach der deutschen Invasion wurde Frieda allmählich klar, was es bedeutete, Jüdin zu sein. Durch die antijüdischen Maßnahmen wurde die Bewegungsfreiheit der Juden immer stärker eingeschränkt. Frieda war sechzehn, als sie im September 1941 ihre Schule verlassen und zu einer speziellen Schule für jüdische Kinder gehen musste. Die Schüler organisierten nach dem Unterricht Diskussionsgruppen. Frieda lernte in der Zeit auch ihre erste große Liebe Bob (Sylvian Maurice) de Jong kennen. Bob schrieb Gedichte für Frieda. Sie hatten eine feste Beziehung, aber nach einiger Zeit verliebte Bob sich in ein anderes Mädchen. Frieda wohnte manchmal bei einer Freundin in Groningen, wo sie auch einen anderen Freund hatte, Andries de Groot.

Es gibt noch ein Foto, da waren wir zusammen im Wald. Er wollte immer mehr mit mir schmusen als ich mit ihm. Ich war ein unschuldiges Mädchen. Ich habe es im nachhinein immer bereut, nicht mehr mit ihm geschmust zu haben, dann hätte er das wenigstens noch erlebt.

Am 5. Juli 1942 wurde Frieda als eine der ersten aufgerufen, sich zum Arbeitseinsatz zu melden, zur ‘werkverruiming’ wie es officiell hieß. Damals wurde Juden vorgespiegelt, dass sie im Osten arbeiten würden. Da Vater Joël nicht wollte, dass Frieda ging, gab er ihr Schmirgelpapier, womit sie ihren Körper bearbeiten musste, damit es aussah, als hätte sie Scharlach.

Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich es ihm zeigen musste und wie ich dastand. Ich war sechzehn Jahre alt un stand zum ersten Mal mit nackten Brüsten vor meinem Vater. Das war eine sehr seltsame Situation für mich. Er ging anschließend zur Zentralstelle und sagte, ich hätte Scharlach. Es functionierte. Ich bekam Aufschub.

Auf dem Rückweg zur Zuideramstellaan geriet Friedas Vater in eine Falle. Es war eine großangelegte Razzia in Gange. Es waren nur zwei Aufseher auf eine Gruppe von etwa zwanzig „Gefangenen“. Friedas Vater beschloss abzuhauen und die Wächter verfolgten ihn nicht. Daraufhin beschloss der Vater, mit der ganzen Familie unterzutauchen.

Warmond, Herenweg 35

Über Louis Ritmeester, den Bruder von Friedas Mutter, fanden sie ein Versteck in Warmond. Da Juden nicht mehr reisen durften, beschloss Friedas Vater ein Boot zu kaufen und sich mit dem Boot dorthin bringen zu lassen. Er hatte im Diamantenhandel einiges an Geld sparen können, und das hatten sie jetzt bitter nötig. Am Nachmittag des 16. Juli 1942 trafen sie im Fahrradladen der Familie Schrijvers in Warmond ein. Es stellte sich schon bald heraus, dass diese Familie vor allem viel an Familie Brommet verdienen wollte. Obwohl die Familie von der Widerstandsbewegung mit den benötigten Lebensmittelkarten versorgt wurde, mussten sie jeden Monat pro Person 125 Gulden (heute vergleichbar mit etwa € 675,-) bezahlen. Und dafür bekamen sie nur sehr wenig zu essen.

Ab und zu, bei einem Geburtstag, gab mein Vater ihnen etwas zusätzliches Geld. Davon sollte die Familie dann ein wenig Fleisch kaufen. Aber als wir abends ins Wohnzimmer kommen durften, wo sie wohnten, stand da ein Akkubehälter voller Jenever, aus dem sich jeder ein Glas nehmen durfte. Statt Fleisch hatten sie Alkohol gekauft.

Auch Louis Ritmeester, der Bruda von Friedas Mutter kam mit seinen zwei Kindern und seiner Frau Sien de Valença, sowie deren Schwester Duifje de Valença nach Warmond. Louis machte bei den Trinkgelagen voll mit und verlangte von Friedas Vater, alles zu bezahlen, tausend Gulden pro Monat. Friedas Familie drohte allmählich zu verhungern und dann erhielten sie auch noch die Nachricht, dass die Eltern von Friedas Mutter verhaftet worden waren. Friedas Vater Joël hielt es nicht länger aus, er wollte da weg. Familie Schrijvers verhandelte mit einem gewissen Gerritse aus Amsterdam, der eine Flucht in die Schweiz regeln könnte.
Dafür mussten jedoch erst 6000 Gulden und dann bei Ankunft in der Schweiz erneut 6000 Gulden bezahlt werden. Ein gewaltiger Betrag. Die Flucht konnte aus irgendeinem unerklärlichen Grund nicht stattfinden, aber das Geld war weg. Kurz danach versuchte Friedas Vater es noch einmal über dieselbe Kontaktperson, und dieses Mal bezahlte er 9000 Gulden auf einen Schlag. Gerritse war nach ein paar Tagen spurlos verschwunden und auch das Geld war weg.

Warmond, Herenweg 35

Nach dem Krieg stellte sich heraus, dass wir Joop Bom und Jeanne Valkenburg - einem der gewissenlosesten Ehepaare, die es im Zweiten Weltkrieg gegeben hat - in die Hände gefallen waren. Sie betrogen Juden um viel Geld und verrieten sie dann anschließend. So erging es auch uns.

Am nächsten Tag stand die Sicherheitspolizei vor der Tür und verhaftete alle acht Juden, die sich dort versteckt hielten. Sie wurden erst zum Hauptquartier des Sicherheitsdienstes in der Amsterdamer Euterpestraat gebracht und kurz danach nach Westerbork transportiert. Dort erfuhren sie, dass es auch mit den Eltern von Friedas Vater schlecht ausgegangen war. Großvater Hartog wurde am 25. April 1943 in seiner eigenen Küche erschossen, als er von Agenten des Sicherheitsdienstes abgeholt wurde. Seine Frau Frouke Brommet-Wolf versuchte noch zu fliehen, indem sie vom Balkon sprang, aber auch sie wurde erwischt.

Westerbork

In Westerbork kam Friedas Familie in die Strafbaracke. Frieda ging es dort besser als im Versteck in Warmond. Sie bekam mehr zu essen und hatte auch wieder Kontakt zu anderen. Hier lernte sie auch Anne Frank kennen. Am 4. September wurde Friedas Familie nach Auschwitz deportiert. Zusammen mit insgesamt 1019 Juden saßen sie im selben Zug wie Familie Frank. Die Fahrt war grausam und dauerte drei Tage lang.

Frieda und ihre Mutter überlebten Ausschwitz, ihr Vater nicht.