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Beim Bauer

Joop Levy, geboren am 21 Oktober 1935 in Varsseveld

Joop Levy wurde 1935 in Varsseveld, Gelderland, geboren. Sein Vater war ein Viehhändler im Achterhoek, ebenso wie zwei seiner Brüder. Vor dem Krieg gab es im Achterhoek viele jüdische Viehhändler, von denen einige eine Metzgerei hatten. »Als Viehhändler verdiente man nicht besonders gut. Mein Vater machte sich jeden Tag bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad auf, um zu sehen, ob die Bauern etwas zu verkaufen hatten oder etwas einkaufen wollten.«
Joop war der einzige Sohn der Familie Levy. »Ich habe meine Eltern nie gefragt, aber ich vermute, dass ich wegen der Bedrohung durch den Krieg ein Einzelkind geblieben bin. Meine Mutter war gebürtige Deutsche, aus Trier. Sie wusste schon vor dem Ausbruch des Krieges, was dort vor sich ging.«

Zwischen den jüdischen und nicht-jüdischen Einwohnern in Varsseveld herrschte ein gutes Verhältnis. »Ich hatte eigentlich nie Probleme mit Antisemitismus. Varsseveld war ein ›judenfreundliches Dorf‹, wie ich manchmal sage.«
Die Familie Levy war nicht orthodox. »Im gesamten Achterhoek gab es kaum orthodoxe Juden. Wir hielten uns aber an einige allgemeine Regeln und Bräuche des Judentums. So aßen wir zum Beispiel kein Schweinefleisch.«
Als während des Krieges angeordnet wurde, dass jüdische Kinder nicht mehr in ihre bisherigen Schulen durften, wurde in Winterswijk eine jüdische Schule eröffnet. »Es gab nur ein Klassenzimmer, in dem etwa zwölf bis vierzehn Kinder aus dem ganzen Achterhoek von einem jüdischen Lehrer unterrichtet wurden. Da wurde mir erst bewusst, dass ich Jude bin.«
Am 24. September 1942, einem Donnerstagnachmittag, kehrte Joop mit dem Zug aus Winterswijk zurück. Seine Mutter teilte ihm mit, dass Willem ter Beek, ein nicht-jüdischer Kollege seines Vaters, ihn eineinhalb Stunden später abholen würde. »Meine Mutter sagte: ›Ter Beek nimmt dich auf seinem Fahrrad mit und bringt dich an einen Ort, an den ich später auch komme.‹«
Als Viehhändler kannte Joops Vater viele Bauern in der Gegend. »Er hatte die Familie Hofs zwischen Varsseveld und Aalten gefragt, ob wir dort untertauchen könnten. Hofs antwortete: ›Von mir aus gerne, aber ich habe nur Platz für eine Person.‹ Auf seinem Hof versteckten sich auch sechs nicht-jüdische Menschen, junge Leute zwischen 18 und 30 Jahren, die zum Arbeitseinsatz aufgerufen worden waren. Zudem leitete der älteste Sohn, Wim, eine Widerstandsgruppe. Mein Vater ist also bei Hofs untergetaucht, und meine Mutter und ich bei der Familie Ebbers in Lintelo.«

Das Versteck im Heuboden

In den Wochen bevor Joop untertauchte, kam die Tochter der Familie Ebbers regelmäßig, um Dinge bei ihnen abzuholen. »Als ich an jenem Donnerstagabend ins Haus der Familie Ebbers kam, fragte ich scheinbar: ›Oh, Leida, wohnst du hier?‹ Am späteren Abend kam meine Mutter dann auch.«
Draußen spielen durfte Joop nicht, aber wenn keine unmittelbare Gefahr drohte, half er Bauer Ebbers manchmal, die Schweine zu füttern. Anfangs durften Joop und seine Mutter abends, wenn es dunkel war, noch draußen spazieren gehen. Später ging dann auch das nicht mehr. Zuerst übernachteten sie noch in einem Schlafzimmer, doch das wurde immer gefährlicher, da die meisten Razzien nach Einbruch der Dunkelheit stattfanden.
Der Bauer machte auf dem Heuboden über dem Pferdestall ein kleines Versteck. Es war eine Art kleine Holzkabine, in der man nur sitzen oder liegen konnte. Joop: »Wenn man auf dem Heuboden stand, sah man nur einen großen Heuhaufen. In die Holzdecke des Pferdestalls sägte er bei einer Naht zwischen den Brettern eine Luke heraus. Wenn wir in unser Versteck wollten, stellten wir eine Leiter gegen die Stallwand und kletterten durch die Luke zu unserem Schlafplatz.«

Inzwischen war auch Joops Vater zur Familie Ebbers gekommen. Bauer Hofs fand, dass es auf seinem Hof zu gefährlich wurde. Und er hatte Recht: Später wurde Bauer Hofs verraten und die Untergetauchten entdeckt. Sein Sohn, der eine Widerstandsgruppe anführte, wurde hingerichtet. Der 23-jährige Sohn der Familie Ebbers konnte bei einer Razzia ebenfalls festgenommen und zum Arbeitseinsatz nach Deutschland verschleppt werden. Er schlief deshalb auch in unserem Versteck.
Der Bauernhof der Familie Ebbers lag etwas abseits der »Hauptstraße«, versteckt hinter einem kleinen Wald. »Vielleicht haben die Deutschen den Hof übersehen. Aber viele Razzien fanden statt, nachdem man verraten worden war. Das war bei uns nicht der Fall.«

Der Bauernhof der Familie Ebbers lag etwas abseits der »Hauptstraße«, versteckt hinter einem kleinen Wald. »Vielleicht haben die Deutschen den Hof übersehen. Aber viele Razzien fanden statt, nachdem man verraten worden war. Das war bei uns nicht der Fall.«

Joop: »In Varsseveld hatte ich drei jüdische Cousins, die ebenfalls untergetaucht waren – alle drei etwas älter als ich. Sie waren zusammen mit einem desertierten russischen Piloten bei der Familie Geurink in Lichtenvoorde untergetaucht. Zu meinem achten Geburtstag bauten mein ältester Cousin und dieser Pilot zusammen ein wunderschönes Holzflugzeug. Da sie nicht viel Material hatten, besteht der größte Teil des Flugzeugs aus einer alten hölzernen WC-Brille. Willem ter Beek, hat mir das Flugzeug gebracht.«

unter den Deutschen

Anfang März 1945 wurde unser Hof vom einen Tag auf den anderen von einem Zug deutscher Soldaten besetzt, die aus den Ardennen zurückgedrängt worden waren. »Sie waren verdreckt und hatten Läuse. Nachdem sie sich gewaschen und ordentlich gegessen hatten, gingen sie auf dem Heuboden schlafen. Sie schliefen auf dem Heu, unter dem sich unser Versteck befand.«
»Wir mussten mäuschenstill sein und konnten nichts als flach auf unseren Matratzen liegen oder ein wenig in die Hocke gehen. Im Pferdestall gab es ein Fenster, das noch ein Stückchen in unsere kleine Holzkabine hineinreichte. Tagsüber konnten wir einen Lichtstreifen sehen. So wussten wir zumindest, ob es Tag oder Nacht war.«
Nach vierzehn Tagen zogen die Deutschen ab. Sie nahmen noch zwei Pferde von Bauer Ebbers mit.
Etwa 14 Tage später, am 31. März, befreiten die Kanadier den Achterhoek.
»Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Bauer Ebbers in seinem Achterhoek-Dialekt sagte: ›Jetzt kannst du wieder raus, du bist frei.‹ Das war buchstäblich eine große Befreiung.«

Die Ebbers waren eine außergewöhnliche Familie. Bereits während der Zeit des Untertauchens hatte Joops Vater mehrmals nachgefragt, wie viel Geld er ihnen schuldig sei. Der Bauer antwortete jedes Mal: »Das kommt schon.«
»Als wir dann wieder frei waren sagte mein Vater: ›Jetzt will ich aber wissen, wie viel Geld Sie von mir bekommen.‹ ›Wir sind alle lebend davongekommen‹, sagte Bauer Ebbers, ›es gab keine unangenehmen Vorfälle und damit ist die Schuld beglichen.‹«

Während des Untertauchens hatte Joop oft von seinem besten Freund, Joop Becking, einem nicht-jüdischen Jungen, gesprochen: »Ich hoffe, dass wir wieder miteinander spielen können, wenn wir befreit sind.« »Als wir uns am 1. April 1945 in Varsseveld wiedersahen, war es, als ob ich nie weg gewesen wäre. Unsere Freundschaft lebte sofort wieder auf und hielt bis zu seinem Tod am 2. Mai 2021 an. Wir nannten einander immer ›Junior‹. Keine Ahnung, woher wir diesen Namen hatten. Bei seiner Beerdigung verabschiedete ich mich mit den Worten: ›Lieber Junior, guter Freund, ruhe in Frieden.‹«