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Solange du sich später heiratest

Benjamin Kosses, geboren am 25. Oktober 1921 in Oude Pekela

Vlagtwedde

Bennie (kurz für Benjamin) wuchs in einer fünfköpfigen Familie auf. Er hatte einen Bruder, Willie, der zwei Jahre jünger war als er, und er hat eine sechs Jahre jüngere Schwester, Rebekka. Bennies Vater, Hartog Kosses, war Viehhändler und hatte eine koschere Metzgerei. Seine Mutter hieß Roza Kosses-Meijer. Da Hartog Kosses nicht Mitglied der faschistisch orientierten Organisation „Landbouw en Maatschappij“ - einem Zusammenschluss mehrerer Bauernverbände – werden wollte, gönnte man ihm den Handel immer weniger. Bennie fing zu Anfang des Krieges an, bei einem Onkel zu arbeiten, der ebenfalls Metzger war.
Als 1941 die Beschlagnahme des Betriebes seines Onkels erfolgte, arbeitete Bennie von da an bei einem befreundeten christlichen Metzger, Bram Buzeman. Die Atmosphäre wurde immer grimmiger.

Eines Tages, als wir im Schlachthaus in Oude Pekela bei der Arbeit waren, kam ein anderer Metzger herein, der Mitglied der Vereinigung ‘Landwacht Nederland’ und sagte, während ich dabei stand: ‘Bram, du musst diesen Judenknecht rauswerfen, der verdirbt den ganzen Laden.’

Bennie und sein Onkel beschlossen unterzutauchen, als der Ortspolizist sie warnte, dass sie am nächsten Tag verhaftet werden würden.

Eine solche Entscheidung erscheint selbstverständlich, aber das war es nicht. Mein jüngerer Bruder Willie hat sich am 17. August freiwillig in Westerbork gemeldet. Er sagte: „Ich werde mich nicht verstecken, sonst kommen sie Vater und Mutter holen.“ Er wurde nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Hoofdweg, Nieuwe Pekela

The first person they went to see was a barber they knew in Nieuwe Pekela. They arrived in the evening, but nobody came to the door. In the morning the barber let them in.

At the end of the afternoon the barber came upstairs, nervous and agitated: ‘My wife says you’ve got to leave, before the children come home, too. Our house is too small to have people in hiding.’

Ommelanderwijk

Bennies Onkel kannte noch einen Bauern in Ommelanderwijk, auch da kamen sie nachts an. Sie wurden willkommen geheißen. Am nächsten Morgen hörte Bennie jedoch, wie die Bäuerin zum Bäcker und zum Lebensmittelhändler sagte, dass sie ab jetzt mehr zu essen bräuchte - ohne Lebensmittelmarken - weil sie Juden im Haus hätten.

Da sagte ich zu meinem Onkel: ‘Das wird so nichts. Ich haue hier heute nacht noch ab.’ Wir gingen zusammen weg.

Wildevanksterdallen

Bennie und sein Onkel blieben vier Wochen lang bei Bauer van der Woude in Wildervangsterdallen. Dann gab es mehrere Razzien in der Gegend. Nun suchten auch die Frau und Kinder von Bennies Onkel ein Versteck. Für alle war bei van der Woude nicht genug Platz und so beschloss Bennie dort wegzugehen.

Ericakade 135a, Oude Pekela

Nach einer Nacht und einem Tag bei einen weiterem Bauern, bei dem Bennie nicht bleiben konnte, machte er sich erneut auf in Richtung Oude Pekela. Da blieb er für kurze Zeit bei einem gewissen Hayo Kampion, der mit einer nicht-jüdischen Frau verheiratet war. Juden in Mischehen wurden ursprünglich nicht deportiert, sie mussten sich jedoch an die strengen anti-jüdischen Maßnahmen halten.

Kampion gab mir andere Kleidung – Kleidungsstücke von seinen nicht verheirateten Brüdern, die man bereits verhaftet hatte.

Ruyschstraat, Amsterdam

Bennie erfuhr, dass seine Eltern nach Amsterdam gefahren waren. Er beschloss, ihnen nachzureisen.

Am nächsten Tag habe ich meine Eltern und meine Schwester wiedergesehen. Es ging ihnen nicht gut. Sie hatten zu wenig zu essen und mussten ständig auf dem schwarzen Markt handeln. „Das hier ist auch nichts,“ dachte ich. Ich ging nach Oosterbeek, wo die zwei Kinder meines Onkels untergebracht waren. ’

Oosterbeek

In Oosterbeek fühlte Bennie sich nicht sicher und auch dort gab es nur sehr wenig zu essen. Er bleib nur eine Woche dort.

Arnheim

Danach fand Bennie eine Adresse in Arnheim.

Da ging es nur ums Geld. Überall, wo ich übernachtete, musste ich etwas bezahlen, aber in Arnheim verlangten sie 100 Gulden pro Tag (€ 45,- heute zu vergleichen mit € 520,-).

Stadskanaal

Bennie beschloss nach Groningen zurückzukehren. Er bat Familie Beuker in Stadskanaal um Hilfe. Dort hieß man ihn willkommen. Nach einer Woche wurde jedoch der Wohnbereich des Bauernhauses von den Deutschen mit Beschlag belegt. Dort wurden Mitglieder der Nationalsozialistischen Bewegung der Niederlande, NSB, einquartiert.
Bauer Beuker richtete auf dem Speicher eine Ecke hinter einem Verschlag für Bennie ein.

Ich blieb vierzehn Tage dort auf dem Speicher, in einem winzigen Verschlag unter der Dachschräge. Es war dunkel und das einzige, was ich hatte, war ein Eimer für die Notdurft. Eines Abends, als die NSB-Leute ausgegangen waren, bat Familie Beuker mich nach unten zu kommen. Ich konnte mich waschen und mit ihnen essen. Da sagte ich am Tisch: ‘Ich halte es da oben nicht mehr aus, ich will hier weg.’

Kromme wijk c17 Stadskanaal

Bauer Beuker organisierte einen Unterschlupf für Bennie bei Familie Drenth, die in der Nähe wohnte. Dort würde Bennie bis zum Ende des Krieges bleiben. Familie Drenth bestand aus Vater Willem, Mutter Hindertje und den Kindern Lammie und Fennigje. Es befand sich bereits ein anderer Onkel von Bennie mit Frau und Kindern bei Familie Drenth. Dieser Onkel war nicht froh darüber, als Bennie dort auftauchte.

Sie ließen mich sofort spüren, dass ich dort nicht willkommen war, dass ich in ihre Welt eindrang – ein zwanzig Quadratmeter großes Zimmer, das sie nun auch noch Tag und Nacht mit mir teilen mussten.

Es kamen noch mehr Menschen dazu. Der Onkel, mit dem Bennie ursprünglich untergetaucht war, war mit Frau und Kindern noch bei van der Woude in Wildervangsterdallen untergebracht. Sie mussten dort weg. Ihnen ging das Geld aus, und van der Woude fand die fünfzehn Gulden pro untergetauchter Person, die er nun noch bekommen konnte, zu wenig im Verhältnis zu dem Risiko, das er einging. Und es kam noch ein anderes jüdisches Ehepaar dazu, das ebenfalls kein Versteck mehr hatte.

Dann lebten wir tag und nacht mit vierzehn Personen auf zwanzig Quadratmetern. Weil es in dem Zimmer nur zwei Alkoven gab, lagen dort nachts überall Strohsäcke und Decken auf dem Boden. Wir standen früh auf und hielten uns beim Waschen und Anziehen an ein genaues Schema, damit kein totales Chaos entstand.

Da Lammie, die Tochter des Hauses, beim NSB-Büro vor Ort arbeitete, schöpften die Deutschen nie Verdacht und es gab keine Hausdurchsuchung. Darum dachten die anderen Bewohner des Viertels jedoch, dass Familie Drenth mit dem Feind unter einer Decke steckten, während Lammie Kurier- und Widerstandsarbeit leistete.

Lammie wurde ein paar Mal ziemlich übel zugerichtet von ehemaligen Schulkameraden, denen es ein Dorn im Auge war, dass sie mit den Insignien der NSB auf der Jacke herumlief. Wenn sie dann nach Hause kam, hatte sie überall blaue Flecken und ihre Kleidung war zerknittert und zerrissen.’

Bennie und Lammie kamen sich immer näher.

Da Kondome Mangelware und somit teuer waren, ging man damit sehr sparsam um. Man wusch sie nach dem Gebrauch aus, blies den kleinen Ballon auf, ließ ihn leerlaufen und trocknen. Danach bestäubte man ihn mit Talkumpuder und rollte ihn so auf wie er im Päckchen gelegen hatte. Manchmal war man zu sparsam, dann ging er kaputt und es ging schief. So wie bei uns.

Die Geburt fand am 10. Dezember 1944 im Wohnzimmer statt. Es war ein Mädchen. Nach der Befreiung der Niederlande durch die Alliierten heirateten Bennie und Lammie.